Das Wichtigste in Kürze:
- Aufgrund der Testierfreiheit haben Erbende grundsätzlich die Möglichkeit, über ein Testament festzulegen, welche Personen erben sollen und welche nicht.
- Enterbt werden können nur solche Personen, die nach der gesetzlichen Erbfolge zu den Erbenden des/der Erblassenden gehören.
- Eine Enterbung erfolgt durch Testament oder Erbvertrag.
- Nahe Verwandte wie Kinder und Ehegatte oder Ehegattin haben grundsätzlich auch im Falle der Enterbung einen Anspruch auf den Pflichtteil.
- Der Anspruch auf Pflichtteil entfällt, wenn die entsprechende Person erbunwürdig ist.
- „Enterbungsgründe“, also die Gründe der Enterbung mit Pflichtteil, sind gesetzlich geregelt.
- Eine faktische Enterbung ist jedoch auf anderem Wege möglich: etwa durch eine Schenkung vor dem Todesfall. Allerdings muss diese 10 Jahre vor dem Eintritt des Erbfalls stattfinden.
Das deutsche Erbrecht bietet Erlasser:innen die Möglichkeit der Testierfreiheit. Das bedeutet, dass Erblasser:innen zwischen der gesetzlichen Erbfolge (LINK) und der gewillkürten Erbfolge wählen können. Mittels Testament oder Erbvertrag können Erblasser:innen, im Rahmen der rechtlichen Grenzen, bestimmen, wie ihr Vermögen im Todesfall verteilt werden soll. Das beinhaltet die Möglichkeit, eine Person bewusst von der Erbfolge auszuschließen. Die Enterbung einer Person, die laut gesetzlicher Erbfolge Erbin oder Erbe wäre, kann durch Nichterwähnung in Testament oder Erbvertrag oder durch das ausdrückliche Ausschließen geschehen. Allerdings ist zu beachten, dass für einen bestimmten Personenkreis unter den Personen, die zur gesetzlichen Erbfolge zählen, auch im Falle einer Enterbung ein Anspruch auf den Pflichtteil besteht. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs (§§ 1924 ff BGB). Die Antwort auf die Frage „Kann ich jemanden enterben?“ lautet grundsätzlich ja. Da das deutsche Erbrecht äußerst komplex ist, sollten Erblasser:innen sich von einem Fachanwalt oder einer Fachanwältin beraten lassen.
Enterbung: Wie kann ich jemanden enterben?
Grundsätzlich können nur Personen enterbt werden, die laut gesetzlicher Erbfolge erben würden. Möchte ein:e Erblasser:in eine oder mehrere Personen von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen, kann dies durch das Aufsetzen eines Testamentes oder eines Erbvertrages erfolgen. Es gibt zwei unterschiedliche Wege, um Personen, die laut gesetzlicher Erbfolge erbberechtigt sind, zu enterben:
Die ausdrückliche Enterbung
Bei der ausdrücklichen Enterbung wird im Testament konkret festgehalten, welche Person nicht erben soll. Diese Form der Enterbung wird auch „Negativtestament“ genannt.
Beispiel: „Ich enterbe meinen Sohn Max Mustermann.“
Wichtig: Bei der oben gewählten Formulierung ist zu bedenken, dass die Kinder von Max Mustermann (falls er welche hat), ebenfalls enterbt werden. Sollen die Enkel nicht enterbt werden, sondern nur der Sohn selbst, so sollte beispielsweise die folgende Formulierung gewählt werden:
„Ich enterbe meinen Sohn Max Mustermann. Meine Enkelin Maxima Mustermann soll jedoch nicht enterbt werden.“
Die implizierte Enterbung
Die implizierte Enterbung wird auch „Enterbung durch Nicht-Nennung“ genannt. Dabei werden eine oder mehrere Personen der gesetzlichen Erbfolge nicht im Testament oder im Erbvertrag genannt, während andere Personen ausdrücklich als Erbende erwähnt werden.
Beispiel: „Meine Ehefrau Mara Mustermann und meine Enkelin Maxima Mustermann sollen zu gleichen Teilen Erbinnen sein.“
Hier werden die Ehefrau und die Enkelin ausdrücklich als Erbinnen eingesetzt. Der Sohn wird nicht erwähnt und damit impliziert von der Erbfolge ausgeschlossen.
Enterbungsgründe: Aus welchen Gründen kann ich eine Person enterben?
Möchten Testierende eine oder mehrere Personen, die entsprechend der gesetzlichen Erbfolge erbberechtigt sind, enterben, so müssen keine Gründe für die Enterbung hierfür in das Testament oder den Erbvertrag aufgenommen werden. Dies gilt jedenfalls unter rechtlichen Gesichtspunkten. Allerdings sollten sich Testierende bewusst sein, dass eine Enterbung für die betreffende Person oder die betreffenden Personen neben finanziellen auch emotionale Folgen haben kann. Eine Enterbung ist ein radikaler Schritt. Eine Enterbung lässt sich rückgängig machen, solange das Testament oder der Erbvertrag noch geändert werden kann. Ist die Enterbung jedoch bereits im Familienkreis kommuniziert worden, so bleibt die emotionale Verletzung auch bestehen, wenn die Enterbung später rückgängig gemacht wird.
Ob und in welcher Form Gründe für eine Enterbung gegenüber der Person oder den Personen, die enterbt werden, kommuniziert werden kann, sollten Testierende mit einem Fachanwalt oder einer Fachanwältin besprechen.
Pflichtteil bei Enterbung: Wann besteht ein solcher Anspruch, und wie hoch ist dieser?
Das deutsche Erbrecht gibt Testierenden zwar viele Freiheiten, ihren Nachlass nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Allerdings setzt das deutsche Erbrecht dieser Testierfreiheit auch Grenzen. Dazu zählt die Regelung zum sogenannten Pflichtteil. Die Grundlage für die Regelungen zum Pflichtteil findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch in § 2303 BGB. Der Anspruch auf Pflichtteil besteht nicht für alle Personen, die entsprechend der gesetzlichen Erbfolge erbberechtigt wären, sondern nur für nahe Verwandte.
Pflichtteil: Wer hat einen Anspruch darauf?
Anspruch auf einen Pflichtteil haben folgende Personengruppen:
- Ehepartner:innen: Ist die Ehe geschieden oder gilt sie als gescheitert, besteht kein Pflichtteilsanspruch.
- Partner:innen aus eingetragenen Lebensgemeinschaften: Ist die eingetragene Lebensgemeinschaft geschieden oder gilt sie als gescheitert, besteht kein Pflichtteilsanspruch.
- Kinder des/der Erblassenden: Der Pflichtteilsanspruch gilt für eheliche und nichteheliche sowie leibliche und adoptierte Kinder gleichermaßen.
- Unter Umständen Enkel:innen: Ein Pflichtteilsanspruch für Enkel:innen besteht nur dann, wenn es zum Zeitpunkt des Erbfalls keine lebenden Kinder des/der Erblassenden mehr gibt oder diesen aus besonderen Gründen der Anspruch auf den Pflichtteil aberkannt wurde.
- Unter Umständen die Eltern des/der Erblassenden: Die Eltern des/der Erblassenden haben nur dann einen Anspruch auf einen Pflichtteil, wenn des/der Erblassenden keine Kinder hatte oder diese bereits verstorben sind.
Pflichtteil bei Enterbung: Wie hoch ist dieser Anspruch?
Die Höhe des Pflichtteils ist in § 2303 BGB geregelt. Danach beträgt dieser die Hälfte des Anteils, der der Person gemäß der Erbfolge zustehen würde, wenn keine Enterbung vorgenommen worden wäre.
Beispiel: Eine Erblasserin, deren Ehemann bereits verstorben ist, hatte zwei Kinder: einen Sohn und eine Tochter. Die Mutter (Erblasserin) hat in ihrem Testament ausdrücklich den Sohn enterbt und die Tochter als Alleinerbin eingesetzt. Ohne die Enterbung hätte der Sohn einen Anspruch auf die Hälfte des Erbes. Aufgrund der Enterbung steht ihm nur die Hälfte dieses Anspruchs zu, also beläuft sich sein Pflichtteilsanspruch auf ein Viertel des Erbes.
Wie lang besteht der Pflichtteil bei Enterbung?
Der Anspruch auf den Pflichtteil besteht ab dem ersten Tag nach dem Tode des/der Erblassenden. In der Regel nimmt die Ermittlung der Nachlasshöhe einige Zeit in Anspruch. Erst wenn diese ermittelt ist, steht fest, wie hoch der Pflichtteilsanspruch der betroffenen enterbten Person oder Personen ist. Für den Pflichtteilsanspruch gilt eine dreijährige Verjährungsfrist. Das bedeutet, dass der/die Pflichtteilsberechtigte innerhalb von drei Jahren den Anspruch geltend machen muss. Die Verjährungspflicht beginnt jedoch nicht mit dem Todestag des/der Erblassenden, sondern erst dann, wenn der:die pflichtteilsberechtigte Enterbte von dem Erbfall erfahren hat. Allerdings ist auch dieser Zeitraum begrenzt: 30 Jahre nach dem Eintreten des Erbfalls bestehen keinen erbrechtlichen Ansprüche mehr.
Erbunwürdigkeit: Was bedeutet Erbunwürdigkeit?
Wenn Testierende eine oder mehrere Personen enterben möchten, dann möchten diese in der Regel, dass der oder die Enterbten „leer ausgehen“. Wie oben bereits ausgeführt, haben enge Verwandte aber grundsätzlich auch im Falle einer Enterbung einen Anspruch auf ihren Pflichtteil. Dieser Anspruch entfällt nur in bestimmten Ausnahmefällen. Hier wird von Laien häufig der Begriff der „Erbunwürdigkeit“ verwendet. Die Frage der Erbunwürdigkeit stellt sich jedoch erst nach dem Eintreten des Erbfalls. In § 2339 BGB ist geregelt, in welchen Fällen eine Erbunwürdigkeit vorliegt. Die hier aufgeführten Gründe sind abschließend. Das bedeutet, dass es keine anderen Gründe gibt, die zur Erbunwürdigkeit eines/einer Erbenden führen. Andere oder übergangene mögliche Erbende können im Wege einer Anfechtungsklage die Erbunwürdigkeit geltend machen. Bei der Feststellung der Erbunwürdigkeit einer Person geht es also um eine Beurteilung, die nach dem Eintreten des Erbfalls stattfindet.
Ist eine Enterbung mit Pflichtteilsentzug möglich?
Allerdings gibt es auch einige wenige Fälle, in denen Testierende den Anspruch auf Pflichtteil ausschließen können. Die Enterbung mit Pflichtteilsentzug ist ebenfalls im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt: in § 2333 BGB. Danach können Testierende einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn bestimmte schwere Verfehlungen begangen wurden. Unter dem Begriff „Abkömmlinge“ sind in diesem Fall nicht nur Kinder, sondern auch Ehepartner:innen, Partner:innen aus eingetragenen Lebensgemeinschaften sowie Eltern gemeint.
Der Pflichtteilsentzug muss, anders als die herkömmliche Enterbung, im Testament oder im Erbschaftsvertrag explizit geregelt werden. Insbesondere müssen die Gründe, die einen Pflichtteilsentzug rechtfertigten, ausreichend und korrekt begründet werden. In diesem Fall ist es wichtig, dass sich Testierende von einem Fachanwalt oder einer Fachanwältin beraten lassen.
Gründe für eine Enterbung mit Pflichtteilsentzug
Die Regelungen zum Pflichtteilsanspruch haben den Zweck, dass nächste Angehörige des/der Erblassenden eine Mindestteilhabe am Nachlass haben. Daher sind die inhaltlichen und formellen Anforderungen an den Entzug des Pflichtteils hoch. Grundsätzlich haben Erbende nur dann keinen Anspruch auf den Pflichtteil, wenn
a) ein Pflichtteilsentziehungsgrund vorliegt,
b) die Pflichtteilsentziehung richtig erklärt und begründet wurde und
c) der/die Erblassende der betreffenden Person bis zum Eintritt des Todesfalls nicht verziehen hat.
Die Hürden für den Entzug des Pflichtteils sind daher sehr hoch. Mögliche Gründe für die Enterbung mit Pflichtteilsentzug können, je nach Einzelfall, sein:
- Die enterbte Person hat dem/der Erblassenden (oder einer nahestehenden Person) nach dem Leben getrachtet oder hat ein schweres Vergehen an dieser Person begangen.
- Die enterbte Person hat gegenüber dem/der Erblassenden böswillig die Unterhaltspflichten verletzt.
- Die enterbte Person wurde wegen einer schweren Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt.
- Die enterbte Person wurde wegen einer scheren Straftat gesetzlich angeordnet in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt untergebracht.
Faktische Enterbung: Was gibt es bei der Enterbung durch Schenkung zu beachten?
Eine Enterbung mit Pflichtteil ist aufgrund der gesetzlichen Regelungen in den wenigsten Gründen möglich. Dennoch steht Testierenden ein weiterer Weg offen, um den Pflichtteil zumindest zu reduzieren: Durch eine Schenkung zu Lebzeiten kann das Gesamtvermögen reduziert werden, so dass sich die Höhe des Pflichtteils im Todesfall ebenfalls reduziert. Allerdings gibt es auch in diesem Fall juristische Finessen zu beachten. Hierbei geht es vor allem um folgende Punkte:
- 10-Jahres-Frist: Grundsätzlich wird die Schenkung von Vermögen zu Lebzeiten an eine andere Person zunächst bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt. Allerdings reduziert sich der Betrag, der berücksichtigt wird, jedes Jahr um zehn Prozent. Nach zehn Jahren entfällt die Schenkung daher komplett aus dem Pflichtteil.
- Ausnahme der 10-Jahres-Frist: Bei einer Schenkung an den:die Ehegattin oder den:die Partner:in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft gilt die 10-Jahres-Frist nicht.
Fazit
Der Themenbereich Enterbung, Pflichtteil bei Enterbung und Enterbungsgründe ist sehr komplex. Damit der letzte Wille nach dem Eintritt des Erbfalls auch im Sinne des/der Erblassenden umgesetzt wird, sollten eine fundierte Beratung durch einen Fachanwalt oder eine Fachanwältin erfolgen. Dieser Beitrag kann nur einen ersten Überblick über das Thema vermitteln, da jeder Einzelfall anders zu bewerten ist.